Testbericht - Trek Scratch 9


Das Trek Scratch 9
In der Hand / Geo: Mein allererster Gedanke beim ersten Anfassen: „boah, ist das leicht!“ und der erste Gedanke beim Angucken war: „ganz schön klein!“. Das Scratch ist kurz – sehr kurz. Und die Größenangaben von Trek sind verwirrend. Ich selber habe mich, mit einer Größe von 174 cm, für die Rahmengröße L (mit einer effektiven Oberrohrlänge von lediglich 57,3 cm!) entschieden, um nicht das Gefühl zu haben, mit den Knien vor das Steuerrohr zu stoßen.

Vergleicht man allerdings die Geometriedaten mit denen anderer Bikes, dann drängt sich das Gefühl auf, dass man bei den Trek´schen Größenangaben besser immer eine Nummer abziehen sollte, dann passt es wieder einigermaßen im Verhältnis zu den Größenangaben anderer Hersteller. Dass man sein Bike aber eh nicht allein nach Größenangaben auswählt, versteht sich ja von selbst!

Das Bike gibt weniger das Gefühl, tief „im Bike“ zu sitzen – aber dennoch fühlt man sich nicht unsicher oder über dem Bike „schwebend“. Bereits beim ersten Aufsitzen vermittelt der Hinterbau das Gefühl von Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Die Dämpferanlenkung mit Mino LInk.
Das Scratch bietet mit dem Mino Link die Möglichkeit, die Geometrie so zu verstellen, dass sich der Lenkwinkel um 0,5 Grad verändert - mit der Folge, dass das Bike entsprechend kürzer bzw. länger wird. Ob dies wirklich Sinn macht oder eher eine nette Spielerei ist, dazu habe ich mir noch keine Meinung gebildet.

Da die Umstellung jedoch einen recht hohen Kraftaufwand bedarf, um die Schrauben erst zu lösen und dann auch wieder so fest zu ziehen, dass es einem nicht den Rahmen verhaut (immerhin fordert Trek umgerechnet 19 Nm im Anzugsmoment!), dürfte klar sein, dass man auf jeden Fall nicht „mal eben“ mitten auf dem Trail die Option wählt. Ich glaube, dass ich von der Umstellungsoption eher selten Gebrauch machen werde, Ob überhaupt der Unterschied von einem halben Grad sich tatsächlich so auf die Fahreigenschaft auswirkt, als dass man dies nicht mit Gewöhnung an das Bike selbst erreichen kann, dürfte fraglich sein.

Das Trek Scratch 9 vermittelt im Gelände viel Vertrauen.
Auf dem Trail: Um es vorab zusammen zu fassen: wendig, schnell, agil, leicht, sicher und sprungfreudig!!! Nachdem ich bislang ein eher behäbiges und schweres Bergamont Big Air (von 2008) gefahren bin, habe ich nun erst mal so richtig gemerkt, was Fahrwerk tatsächlich bedeuten kann.

Die Totem harmoniert mit den 170 mm im Heck als ob für dieses Bike geschaffen (nicht bloß optisch!) und übertrifft all meine Vorstellungen, die ich bei meinem Plan hinsichtlich der Umrüstung auf die Totem gehabt habe. Der Hinterbau vermittelt dabei solch eine sagenhafte Sicherheit, dass Felsstufen, dicke Wurzelpassagen und Drops nunmehr lediglich das Gefühl hinterlassen, eine Bordsteinkante herunter gefahren zu sein.

Das geringe Gewicht macht sich in Schnelligkeit und Agilität bemerkbar, die Beschleunigung begeistert, Richtungswechsel bei hohem Tempo erscheinen nur noch einen Blick in die neue Fahrtrichtung zu erfordern und alles, was als Kicker oder Sprung in Frage kommt, nutze ich nun mit wachsender Begeisterung für Airtime.

Die Kürze des Bikes zahlt sich auf dem Trail aus! Es bietet dadurch eine Kontrollierbarkeit und Beherrschbarkeit, die mir bereits bei der ersten Ausfahrt das Gefühl vermittelt haben, das Bike schon seit Jahren zu fahren, es zu kennen und ihm „vertrauen“ zu können. Egal, ob temporeiche Singletrail Passagen oder eher lotrechtabfallende Steilabfahrten: ich habe nicht nur einen Augenblick das Gefühl gehabt, die Kontrolle über das Bike zu verlieren.

Das wirklich faszinierende ist auch die Uphill-Tauglichkeit. Hier zahlt sich insbesondere das geringe Gewicht aus, aber auch gerade bei kurzen, knackigen Anstiegen die Beschleunigungsfähigkeit und Antriebskraft, die vom Scratch ausgehen. Bei langen stetigen Anstiegen scheint sich der Energieverlust, der in die Dämpfung geht, wirklich in Grenzen zu halten.

Das gerade Sitzrohr ermöglicht überdies ein komplettes Ein- und Ausfahren der Sattelstütze – sowohl bergab als auch bergauf ein nicht zu unterschätzender Mehrwert!

Auch im steilen Gelände macht das Scratch Spaß!
Downhill: Der geborene und reine Wettkampf-Downhiller ist das Scratch natürlich nicht – dann würde es ja „Session“ heißen, ;)

Trotzdem steht das Scratch seinem großen Bruder in nichts nach: es erfüllt alle Anforderung, die der „Freizeit-Downhill“-Fahrer wohl von seinem Bike erwartet. Dank des grandiosen Hinterbaus und der Totem bügelt es einfach alles weg, ist schnell und spursicher. Wie hieß es zuletzt in der Freeride: „Ein Drop, der dieses Fahrwerk überfordert, muss erst noch gefunden werden!“

Dennoch sollte auch bedacht werden, dass das geringe Gewicht des Scratch nicht von ungefähr kommt. Lächelnd (aber bestimmt nicht völlig grundlos) wäre der Vergleich des Rahmenmaterials mit einer Cola-Dose sicherlich nicht völlig weit her geholt - es lässt sich nicht verhehlen, dass ein Rahmen aus anderem, schwerem Material schwerwiegende Fahrfehler in Sachen „Langlebigkeit“ eher verzeihen dürfte.

Fazit:
Entgegen der bereits oben erwähnten „Image-Probleme“ des Scratch halte ich es für einen ganz großen Wurf! Es ist quasi die „eierlegende Wollmilchsau“: genauso ideal für die Ausritte in unseren Bike-Revieren, die zunächst das selbständige Erarbeiten der Höhenmeter erfordern, bevor das Scratch seine Downhill-Tauglichkeit ausspielen kann, wie aber auch für den adrenalin- und spaßfördernden Besuch im Bikepark. Wenn Trek damit wirbt „außen Remedy, innen Session“, dann kann ich nur sagen: Mission erfüllt – Scratch eben!


Julia
Köln, im Februar 2011