Thorstens Quali


Am Start sind alle gut drauf - man freut sich, dass es endlich losgeht. Mir geht es genau so - bin aber gleichzeitig recht angespannt. Mein erstes Mountainbike-Rennen steht mir bevor und drängende Fragen jagen mir durch den Kopf. Wie wird es sein, wird alles gut gehen, werde ich mich qualifizieren können? Jetzt nur nicht verrückt machen und Ruhe bewahren! Doch bereits beim Aufruf zur Startaufstellung sind alle Gedanken weggefegt - jetzt volle Konzentration auf das, was kommt.
Nach dem Start habe ich mich zunächst an die vielen Mitfahrer gewöhnen müssen und bin etwas vorsichtiger gefahren. Nachdem die ersten Serpentinen gemeistert waren, ging es über das Geröllfeld nun schneller voran. Kritisch für mich waren immer die Schneefelder ... doch nun gelang es mir schnell und sicher diese zu überwinden, was mich dazu ermutigte, die Jagd aufzunehmen: nun galt es, so viele Mitfahrer wie möglich zu überholen! Foto: Hoshi Yoshida / SRSUNTOUR


Auf dem Höhenweg zur Mittelstation sollten gut Meter gemacht werden - ich freute mich schon auf eine schnelle Abfahrt bis zur Enduro-Strecke. Aber der Veranstalter macht uns allen einen Strich durch die Rechnung, da kurz vor dem Einstieg eine krasse Schikane in Form einer Tragepassage eingebaut wurde. Doch danach ging es auf der uns bekannten Strecke bergab. Das Fahrerfeld hatte sich mittlerweile auseinander gezogen und man hatte Zeit und Platz die Strecke zu genießen! Foto: Hoshi Yoshida / SRSUNTOUR
Die Endurostrecke liegt mir und so kann ich bis zu den Singletrails auf den Wiesen viele Plätze gut machen. An dem kurzen Steilstück gab es wie erwartet einen kleinen Stau - erfreulich war, dass alle Fahrer umsichtig fuhren und bemüht waren schnelleren Fahrern Platz zu machen. Ich versuchte weiterhin meine Kräfte gut einzuteilen - die nächste Schlüsselstelle, das Steinplateau, kam immer näher. Doch kurz vorher - auf der zweiten Hälfte der Wiesentrails - wurde nochmal richtig um Plätze gefighted! Mit unglaublicher Geschwindigkeit hetzten wir uns über den schmalen Trail und versuchten einander in Fehler zu treiben. Foto: Hoshi Yoshida / SRSUNTOUR
Am Steinplateau angekommen machte sich der vorherige Fight direkt bemerkbar - die Lunge schrie nach Luft und die Beine fühlten sich schwer an. Jetzt nur nicht nachlassen, sagte ich mir - ein Patzer kann dich viele Plätze kosten! Ich nahm also erstmal Tempo raus. Auf die Steinplatte gelangt man über eine hohe Stufe, die nach einer scharfen Kurve liegt. Es ist also etwas knifflig ohne abzusetzen drauf zu kommen. Die Platte selbst ist recht schräg, mit Schlaglöchern durchsetzt und geht leicht bergauf - erst dahinter kann man wieder Fahrt aufnehmen und Speed machen. Das Feld hat sich weiter auseinander gezogen. Nun hat man konkrete Kontrahenten vor und hinter sich. Allen ist die Anstrengung etwas anzumerken ... doch am Gegenanstieg hoch zum Einstieg zu den Serpentinen zeigt sich, wer noch Power hat. Hier punkten klar die Fahrer mit leichteren Enduros - das Judge will sich nur widerwillig hoch treten lassen.

Ich versuche meinen Rhythmus zu finden und zu halten und Kräfte für die bevorstehende Abfahrt zu sammeln.

Oben angekommen denke ich für eine Sekunde an eine kleine Pause, die sich viele Fahrer irgendwo auf der Strecke gegönnt haben ... doch diesen Gedanken verwerfe ich sofort wieder. Das ist meine Chance mich in die Qualifikation zur Mega-Promo zu fahren - also nutze ich sie!

Ich habe beim Einstieg in den Wald nun einen Franzosen vor mir, der ungefähr mein Tempo fährt. Das ist zwar ok - doch ich fahre ihm immer wieder hinten auf, da ich meist in den Spitzkehren schneller bin. Jedoch ist der Trail so schmal und die Abstände zwischen Beschleunigung und Abbremsen vor den Kehren zu kurz, dass ich lang Zeit nicht hinter ihm weg komme. Ich konzentriere mich auf die Strecke und warte auf einen günstigen Moment, an dem ich an ihm vorbei kommen kann. Immer wieder starte ich einen Versuch - vergebens. Dann fällt mir eine Stelle im Wald ein, wo es in einem Hohlweg zwei Spuren gibt, die um einen kleinen Baum führen: die untere macht einen weiteren Bogen, die obere kürzt über eine steile Bodenwelle ab - hier soll die Entscheidung fallen!

Der Fahrer vor mir wählt die untere und ich presche mit aller Kraft über die Bodenwelle... Innerhalb von Sekundenbruchteilen bin ich an dem anderen Fahrer vorbei und ich höre ihn hinter mir fluchen! ;))
Gedanken schießen nun durch den Kopf: Hab ich ihn etwa fies ausgebremst? Kann eigentlich nicht sein - eng war es aber schon! Bekomme ich Strafpunkte vom Streckenposten? Wenn ja, wie viele? Hab ich nun all meine Mühen verspielt?
Doch die Selbstzweifel werfe ich sofort über Bord - der Trail wird nun wieder offener und schneller: nun gilt es die "verbummelte" Zeit wieder wett zu machen. Mit Highspeed jage ich nun die Strecke ab.
Kurz vor der nun offenen Absperrung werde ich von einem anderen Fahrer überholt - er ist super schnell unterwegs!!! Das ist auch eine Chance - dran bleiben und nicht abhängen lassen! Der Fahrer vor mir macht den Weg frei und ich kann in seinem Windschatten ebenfalls einige Fahrer hinter mir lassen. Die Strecke hinter der Absperrung stellt sich als Super-Trail heraus: schnell und flüssig fahrbar, teilweise ausgesetzt und mit engen Kurven gespickt.
Plötzlich kreuzen wir wieder einen Weg und der Trail kippt in die Tiefe - mit einem Wahnsinnstempo jagt mein Vordermann voraus und ich hinterher. Doch dann scheint er sich verbremst zu haben und er fliegt in hohem Bogen in die Büsche - sein Fluchen ist weit zu hören. Ich zolle ihm Respekt und rufe ihm mein Bedauern hinterher - er war ein super Rennen gefahren!
Das Tempo bleibt sehr hoch und einige Fahrer werden - wenige Kilometer vor dem Ziel - noch überholt. Zum Schluss wurden noch ein paar weitere Schikanen eingebaut: der nun breite Forstweg wurde abgesperrt und die Strecke über hohe Erdwälle umgeleitet. Es kostet Kraft die Rampen hoch zu fahren und etwas Mut die direkt folgenden steilen Abbruchkanten hinunter zu springen oder zu fahren.

Plötzlich ist das Ziel da - ich hab es geschafft! Unvermittelt taucht es vor mir auf und schon rolle ich durch das Gatter der Zeitnahme. 00:39 irgendwas Minuten steht auf meinem Tacho - eine super Zeit!
Ein Gewusel von Fahrern und Bikes, lachend, erschöpft und etwas durcheinander bahne ich mir einen Weg zum Getränkestand. Mit einigen Isodrinks im Bauch warte ich auf Stefan - wie es ihm wohl ergangen sein mag ...?
Dann sehe ich den Fahrer der vor mir gestürzt war - wir quatschen kurz mit einander, ich drücke noch mal mein Bedauern aus, doch er winkt ab: Ce la vie! Es war schade, doch halb so schlimm! Er ist angekommen - das zählt!