Bikepacking Berlin
Eines Morgens wachte ich mit der Idee im Kopf auf, eine Bikepacking Reise von Köln nach Berlin zu machen. Damals hatte ich zwar schon über Bikepacking gelesen, aber ich wusste im Grunde noch gar nicht, was da auf mich zu kommen sollte. Klar war nur, man braucht einen guten Plan und Taschen am Fahrrad für den Transport.
Die Reiseplanung habe ich zusammen mit meinem Rennrad Kumpel mit dem Mehrtagesplaner von Komoot erstellt. DIe Packtaschen habe ich mit einer Maßanfertigung von Restrap komplettiert.
Tag 1 - Köln -> Bad Berleburg - 190km / 2500hm
Am ersten Tag unserer Reise starteten wir am frühen Morgen bei bestem Wetter. Nachdem wir den Verkehr der Stadt hinter uns gelassen hatten, folgten wir zunächst wohlbekannten Wegen ins Bergische Land.
Die Route nach Bad Berleburg, dem Ziel unserer ersten Etappe, ist eine von uns bereits erprobte Strecke, und somit der ideale Einstieg in unser Abenteuer.
Der lange Anstieg von Eckenhagen hinauf zum Blockhaus war die erste Prüfung am Berg auf unserer Tour. Zum Glück hatten wir uns vorher in einer Bäckerei mit einem Espresso und Croissant gestärkt.
Uns war recht bald klar, dass man auf einer solchen Reise jede Möglichkeit Kraft zu schöpfen und Nahrung aufzunehmen nutzen muss, denn man weiß nie, wann sich dazu die nächste Gelegenheit bieten wird.
Die nächste Prüfung erwartete uns im Aufstieg zum Rhein-Weser-Turm. Nach 145 km sind die Beine zwar schon etwas müde und man ist nicht mehr ganz so frisch, doch man hat sich mittlerweile ganz gut an das zusätzliche Gewicht am Rad gewöhnt. Die Gewissheit das Meiste geschafft und dann den größten Anstieg überwunden zu haben, lässt uns einfach weiterfahren. Bis Bad Berleburg geht es nun fast nur noch bergab und am ersten Etappenziel erwartete uns eine Dusche, ein warmes Abendessen und ein Bett.
Tag 2 - Bad Berleburg -> Göttingen - 160km / 2000hm
Am nächsten Morgen sind wir wieder früh gestartet. Das Wetter war weiterhin gut und schon bald wärmte uns die Sonne. Dabei wechselten sich immer wieder kurze, aber knackige Rampen mit schnellen Abfahrten ab. Uns umgab eine offene, weite Landschaft, und wir fuhren meist über stille Nebenstraßen unserem Tagesziel Göttingen entgegen.
Die barocke Stadt Bad Arolsen mit seinen prächtigen Fassaden und kleinen Cafés hat uns spontan zu einer Pause eingeladen. Etwas Sightseeing und ein großes Eis auf dem Weg ist immer eine gute Idee! Längst hatten wir uns bekannte Gefilde verlassen und jeder Meter war Neuland. Wir waren sozusagen "angekommen" in unserem Abenteuer und die Neugier, auf das was kommen mag, trug uns weiter.
Die Weser stellte sich im Profil als ein markanter Geländeeinschnitt dar. 50 Kilometer vor dem Tagesziel mussten wir hinter Grebenstein einmal lange Hinauf, um dann steil nach unten zur Weserfähre zu gelangen. Und auf der anderen Seite das Gleiche wieder hoch, bevor es dahinter - gefühlt - bergab nach Göttingen gehen sollte. Dumm war nur, dass wir in Grebenstein keine Verpflegung gefunden haben, und somit mit einem Käsebrötchen vom Bäcker vorlieb nehmen mussten.
An der Fähre gab es aber zumindest ein großes alkoholfreies Weizenbier, welches uns über den bevorstehenden Berg bringen sollte.
Göttingen empfang uns mit seiner quirligen Innenstadt mit offenen Armen, und so suchten wir uns gleich eine gute Pizzeria, um uns für diese Etappe mit einem leckeren Essen und einem guten Glas Wein zu belohnen. Die Jugendherberge - unser Quartier für die kommende Nacht - befand sich ausgerechnet auf einem Berg. Mit vollem Bauch und vom Wein selig, aber mit schweren Beinen machten wir uns glücklich und motiviert auf den Weg.
Tag 3 - Göttingen -> Magdeburg - 180km / 1700hm
Unsere Unterkunft in der Jugendherberge Göttingen war funktional, aber gut. Wir hatten noch nette Bekanntschaft gemacht und sind so erst relativ spät ins Bett gekommen. Das sollte sich rächen!
Da unsere dritte Tagesetappe uns über den Harz führen sollte, war wieder früh aufstehen angesagt. 7:45 Frühstück und dann los. Dazu hatte sich auch noch das Wetter über Nacht komplett geändert. Ein Tiefdruckgebiet war mit Regen und Kälte über uns gezogen, und sollte uns auch die meiste Zeit des Tages begleiten.
Noch bevor wir in den Harz kamen, waren wir komplett durchnässt. Die Aussichten versprachen kaum Besserung, und so haben wir in Sichtweite der Berge nach einen Zwischenstopp gesucht.
Während ich mit Schüttelfrost in einer Supermarkt Bäckerei saß, überlegten wir welche möglichen Optionen wir haben. Abbrechen und Aufgeben kam für uns nicht in Frage - so blieb eigentlich nur so gut es geht Aufwärmen und Weiterfahren!
Der Harz ist von Alters her sagenumwoben, und die regenverhangenen Berghänge trugen viel zu dieser Stimmung bei. Und je weiter wir in die Natur eintauchten, um so mehr zog sie uns in ihren Bann. Die Kälte und Nässe waren fast vergessen, und wir genossen die Fahrt durch die stillen, grünen Täler.
Doch manchmal gehen halt nicht alle Pläne auf und so standen wir irgendwann, nachdem wir über mehrere Kilometer einen wunderschönen Radwanderweg durch das Siebertal gefolgt waren, plötzlich vor einer Wegsperrung.
Natürlich hätten wir die Warnungen ignorieren können, doch wir entschieden uns vernünftigerweise dafür umzukehren, und unsere Fahrt über die Landstraße fortzusetzen. Die Auffahrt nach St. Andreasberg stellte sich als problemlos und ebenfalls verkehrsarm heraus.
Allerdings wußten wir nicht, dass sich uns der Anstieg von St. Andreasberg hinauf auf den Sonnenberg mit bis zu 15% Steigung entgegenstellen würde. Glücklicherweise hatte es aufgehört zu regnen als wir den ca. 7 km langen Aufstieg in Angriff nahmen.
Als wir den Gipfel fast erreicht hatten, setzte der Regen wieder ein. Die ungefähr 10 km lange Abfahrt nach Braunlage wurde von Starkregen begleitet und die Temperaturen fielen auf frostige 8 Grad.
In Braunlage bekam ich erneut Schüttelfrost - obwohl ich bereits alles angezogen hatte, was überhaupt tauglich war. Zu unserem Glück konnten wir uns diesmal in einer Pizzeria mit einem richtig guten Essen verpflegen und bei vielen heißen Getränken wieder aufwärmen.
Auf Grund des widrigen Wetters beschlossen wir nun den Aufstieg zum Brocken auszulassen und unsere Reise in Richtung Osten fortzusetzen. Doch zuerst wollten wir noch zwei weitere Regengebiete abwarten, um dann einen letzten Anstieg von 7km in Richtung Brocken zu überwinden.
Nach einem kurzen Aufstieg den halben Brocken hinauf, folgte eine weitere, endlos wirkende Abfahrt hinaus aus dem Harz. DIe Berge wichen einer eher hügelige Landschaft, die sich dann immer mehr zu einer großen Ebene öffnete.
Auch die Ortschaften veränderten immer mehr ihr Gesicht. Erste Plattenbauten und Ampelmännchen tauchten auf, und wir merkten, wir hatten die alten Bundesländer hinter uns gelassen und waren endlich im Osten der Republik angekommen.
Hinter Halberstadt war das Schwierigste für diesen Tag geschafft! Aber es folgten noch weitere, endlose 50 km, meist auf schnurgeraden Straßen, die zwischen riesigen Feldern hindurch bis an den Horizont reichten. Dafür war aber die Straßen- bzw. Wegqualität meist hervorragend, und wir kamen recht zügig voran. Zudem hatte sich das Wetter gebessert, und ab und zu schaute sogar ein bisschen die Sonne heraus.
Durch den Umweg und das schlechte Wetter im Harz hatten wir viel Zeit verloren. Erst am Abend erreichten wir schließlich Magdeburg, wo wir ein Zimmer für die Nacht in der Jugendherberge unweit der Altstadt gebucht hatten.
Doch bevor wir uns ausruhen und verpflegen konnten, mussten wir zuerst unsere dreckigen und noch nassen Klamotten waschen und zum Trocknen aufhängen. Erst spät in der Nacht fielen wir satt und zufrieden ins Bett - den Wecker zum Frühstück auf 7:00 Uhr gestellt.
Tag 4 - Magdeburg -> Berlin - 160km / 400hm
Der letzte Tag unserer Reise begrüßte uns zum Glück wieder mit Sonne. Bevor wir Magdeburg verließen bestaunten wir noch die Grüne Zitadelle, das letzte, von Friedensreich Hundertwasser entworfene Gebäude. Die Vorfreude auf Berlin, sowie die angenehmen Temperaturen ließen uns die Strapazen des vorherigen Tages erstmal verdrängen, und wir nahmen rasch Fahrt auf.
Man kann sagen, dass die Landschaft in Sachsen-Anhalt genauso wechselhaft war wie das Wetter. Während sich am Himmel Sonne, Wolken und Regen abwechselten, fuhren wir über kleine und große Straßen durch die menschenleeren, endlosen Weiten der Felder und dichte Wälder. In den Dörfern dazwischen gab es oft noch Kopfsteinplaster und drumherum feinsten Asphalt - oder auch andersherum.
Nun machten sich die Belastungen der letzten Tage auch körperlich bemerkbar. Der Rücken und Nacken schmerzte, die Hände wurden taub und man wusste kaum noch wie man sich hinsetzen soll. Das viele Kopfsteinplaster trug ebenfalls seinen Teil dazu bei, dass man sich völlig wund und zerschlagen fühlte. Und doch wurden wir, wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, weitergezogen und spulten Kilometer für Kilometer runter.
Eines der vielen Hightlights während der Tour war sicher der Lagerverkauf der Waffelfabrik Stenger in Rosenau. Allein geruchsmäßig und optisch ein tolles Erlebnis. Der Laden wirkte ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Doch die leckeren (Eis-)Waffeln und die Zahl der Besucher sprachen für sich. Hier schlägt noch das Herz der Eiswaffel und Waffelkekse! Wir haben uns auch direkt für die noch kommenden Kilometer mit Keksen eingedeckt.
So langsam hatten wir den Eindruck, dass unser Ziel näher kommt. Auch wenn wir weiterhin durch dünnbesiedeltes Gebiet mit großen Kieferwäldern fuhren, irgendetwas änderte sich - nicht offensichtlich, aber spürbar. Spätestens als wir in Stadt Brandenburg eine kurze Rast machten, um etwas zu essen und frisches Wasser aufzunehmen, merkten wir die immer stärker werdende Urbanisierung der Landschaft. Die Straßen wurde geschäftiger und der Verkehr dichter.
In Werder an der Havel waren wir längst wieder in der turbulenten Realität angekommen. Berlin war nicht mehr weit und seine Ausläufer wurden spürbar. Alles wurde städtischer und auch touristischer. Das große Wasser der Havelseen wirkte nach dem vielen Grün unterwegs wie eine kleine Erfrischung auf uns. Unser Tritt wurde wieder dynamischer, und schon bald bestaunten wir das Schloss Sanssouci in Potsdam, welches quasi direkt vor den Toren Berlins liegt.
Fazit:
Nach 700 km und 6600 hm haben wir schließlich unser Ziel Berlin erreicht. Das Brandenburger Tor schien uns das richtige Motiv für das Finisher-Foto zu sein. Mit der Idee waren wir nicht allein, und haben dort direkt eine Gruppe von Rennradfahrern aus den Niederlanden kennengelernt, die 1000 km in sieben Tagen gefahren waren.
Die Tour war ein echtes Abenteuer, mit vielen tollen und nur einigen wenigen unschönen Momenten. Über mehrere Tage diese Distanzen und Höhenmeter zu bewältigen, und dabei Sonne, Wind, Regen und Kälte zu ertragen fordert dem Körper so einiges ab. Diese Reise hat so definitiv meine Grenzen, von dem was ich mir und meinem Körper zutrauen kann, verschoben. Was bleibt sind nicht nur unvergessliche Erinnerungen, sondern auch eine gute Portion Stolz und Zuversicht.